Cialenga 1973 Parfum

DrPablo
19.07.2019 - 08:48 AM

bitter ist Elegant

Dank der unsinnigen IFRA und EU Restriktionen, die die naiver Weise für unsterblich gehaltenen Klassiker nun der endgültigen Zerstörung preisgegeben haben und sich die Neuerscheinungen weitestgehend durch Belanglosigkeit auszeichnen, ist überraschend, dank e-bay, mein Interesse an Parfüms neu entfacht worden, nämlich für "vintage" Parfums. Und, oh Wunder, fast alles ist noch beschaffbar (z. Bsp. die Ersterscheinung von Ma Griffe (Carven) von 1946 als Parfum, in der Original-Rezeptur von Jean Carles!).
Nun zu CIALENGA:
in den achtziger Jahren in der DDR in Leipzig (ok. Leipzig war, genau wie Ost-Berlin NICHT die DDR) kam mir eine Miniatur CIALENGA in die Hände. Ich war schwer beeindruckt. Seitdem habe ich diesen Duft nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Er wurde mir das Maß für zurückhaltende, geradezu aristokratische Eleganz. Dabei so feminin wie maskulin. Die Perfektion liegt in der absolut reduzierten Süße, hier hauptsächlich die von Tonka (Cumarin). Sie verleiht dem holzig-ledrigen Grundakkord die gerade eben nötige Geschmeidigkeit, um ihn angenehm und rund zu wirken zu lassen. Der resultierende trockene, fast bittere Effekt ist von so bestechend vornehmer Eleganz und einzigartiger Personalität, die das Parfum von allen anderen abhebt. Paradoxerweise betont gerade der herbe, ja maskuline Einschlag die überwältigende feminine Wirkung.
Die Kopfnote ist aldehydisch (Undecylenaldehyd) gehalten, was die grüne Chypre Note hervorragend unterstreicht. Nur Boukettiert von einem klassischen Akkord aus Iris (Methylionon) Rose, Maiglöckchen und Jasmin, wird das Parfum dominiert von einem massiven Fond aus einer Kombi von Ceder (Vertofix coeur (IFF), Tonka, Styrax, Vetiver Bourbon, Patchouli und Eichenmoos (jetzt, welch Katastrophe! Verboten). Die mit Bedacht eingesetzten Nitromoschusse (Moschus Keton und -Ambrette) geben dem Nachgeruch ihre typische Pudrigkeit, runden eher ab, als dem Duft seine unterkühlte Wirkung zu nehmen. Dazu als Ledernote hier sicherlich Mousse de Saxe (De Laire).
Die EDT Variante ist noch weniger blumig und noch trockener als das Parfum.
Es gibt manche Versuche, ähnliches zu schaffen, z. Bsp. in Magie Noire Lancome), Bath and Beauty (Jil Sander). Doch leider ist meistens die Süße völlig überzogen (ebenso in der Version der neunziger Jahre) wodurch der Duft kratzig-seifig wird und an Geschmeidigkeit ermangelt. Als einzige Ausnahme zu erwähnen wäre Ivoire de Balmain, das in diesem Sinne als gelungen angesehen werden kann, aber im Charakter im Vergleich doch merklich abfällt.

0 Comments